Möwen: Die Vögel von der Waterkant
Spaziergänger an der Küste können Möwen bei der Nahrungssuche oder einem Ausflug mit ihrem Nachwuchs beobachten. Laut NABU bevorzugen die Vögel dabei den Spülsaum der Strände und das Watt; sie fliegen aber auch aufs Meer hinaus sowie ins Binnenland und in die Städte hinein. Weltweit gibt es 52 Möwenarten – alle sind hervorragende Segler, die sich vom Wind tragen lassen. In Deutschland kommen fünf Möwenarten besonders häufig vor.
Silbermöwe (Larus argentatus)
Mit einer Flügelspanne von 120 bis 150 Zentimetern, einer Körpergröße von bis zu 60 Zentimetern und einem Gewicht von 800 bis 1.500 Gramm gehört die Silbermöwe zu den Großmöwen. Sie gilt bei der Futtersuche als nicht wählerisch und mitunter ziemlich dreist: So klaut sie im Vorbeifliegen gerne mal das Brötchen aus der Hand.
Silbermöwen sind gut an ihrem kräftigen gelben Schnabel, der einen kleinen roten Punkt an der Unterseite hat, und ihren gelben Augen, die an einen Raubvogel erinnern, zu erkennen. Ihre Beine sind rosafarben, die Flügel silbergrau, das Gefieder ist überwiegend weiß.
Lebensraum und Nahrung
Das Verbreitungsgebiet der Silbermöwen erstreckt sich über das nördliche Europa, die westeuropäischen Atlantikküsten bis hin nach Nordwestrussland und Island. Hier sind sie vor allem an den Küsten anzutreffen, typische Reviere sind aber auch Flussläufe, Häfen, Städte und Mülldeponien. In Berlin brüten Silbermöwen seit einiger Zeit auf dem Bundeskanzleramt.
Bei der Nahrungssuche bevorzugen sie Krebse, Krabben, Muscheln, Würmer, Seesterne, Fische und Aas – sie fressen aber auch Abfall jeder Art. Deswegen sind sie im Winter, wenn die Nahrung knapper wird, häufig auf Müllkippen anzutreffen.
Lebensweise und Fortpflanzung
Küstendünen, Inseln oder Klippen sind bevorzugte Brutplätze der Silbermöwen. Hier brüten sie in großen Kolonien und nur sehr selten in Einzelpaaren. Haben sie einmal einen Brutplatz ausgewählt, gelten Silbermöwen als brutplatztreu und kommen immer wieder.
Es wird geschätzt, dass etwa 80.000 Brutpaare am Wattenmeer leben – davon alleine etwa 80 Prozent in West- und Ostfriesland. Eine Kolonie kann bis zu 10.000 Brutpaare umfassen. Die Tiere kommunizieren über verschiedene kreischende, krächzende oder auch jauchzende Laute; Partner können sich innerhalb einer Kolonie einwandfrei am Ruf erkennen. Silbermöwen werden erst mit vier bis sieben Jahren geschlechtsreif. Das Weibchen legt einmal pro Jahr zwei bis drei Eier, die in einem Monat ausgebrütet werden. Beide Partner kümmern sich um den Nachwuchs, der nach fünf bis acht Wochen flügge wird. Silbermöwen können über 30 Jahre alt werden.
Gefährdungsgrad
In den letzten 20 Jahren ist der Bestand der Silbermöwe stark geschrumpft. Seit 2020 steht sie auf der Vorwarnliste der Roten Liste. Es wird davon ausgegangen, dass ihr vor allem Nahrungsmangel zu schaffen macht: Der Bestand an Meerestieren ist zurückgegangen, offene Mülldeponien wurden europaweit geschlossen oder werden im Winter abgedeckt und fallen als Nahrungsquelle weg.
Der BUND, der sich für den Erhalt und Schutz der Brut-, Rast- und Überwinterungsgebiete der Küstenvögel einsetzt, weist darauf hin, dass Silbermöwen - wie alle anderen Möwenarten - niemals gefüttert werden sollten. Ungeeignetes Futter wie Weißbrot könne dazu führen, dass die Tiere krank werden. Außerdem bestünde die Gefahr, dass die Vögel sich an Menschen als Futterquelle gewöhnen – und ihm bei anderer Gelegenheit sein Fischbrötchen wegschnappen.
Lachmöwe (Larus ridibundus)
Es wird vermutet, dass die deutsche Bezeichnung für die Lachmöwe auf ihre Laute zurückzuführen ist. Diese werden typischerweise als heiser, spöttisch, kreischend oder lachend beschrieben. Auch im Englischen gibt es die Bezeichnung „Laughing gull“, seit Ende des 18. Jahrhunderts heißt die Lachmöwe allerdings „Black-headed gull“. Im Französischen heißt sie bis heute „Mouette rieuse“.
Lachmöwen sind gut an ihrem weißen Gefieder und dunklen Kopf zu erkennen. Der Kopf färbt sich erst im dritten Lebensjahr, bis dahin bleibt ihnen der Zugang zur Brutkolonie verwehrt. Diese so genannte „Kapuze“ tragen sie jedoch nur von April bis Juli. Ausgewachsene Tiere werden etwa 34 bis 43 Zentimeter lang und 200 bis 400 Gramm schwer. Die Flügelspannweite liegt bei 86 bis 99 Zentimetern. Schnabel und Beine sind auffällig rot gefärbt.
Lebensraum und Nahrung
Gewässer aller Art im nördlichen Eurasien sind der bevorzugte Lebensraum der Lachmöwe: Neben Süßgewässern im Binnenland trifft man sie auch an Flussmündungen, Feuchtgebieten oder der Küste; typisch sind auch Rieselfelder, Moorseen oder Regenrückhaltebecken. Auch auf frisch gepflügten Äckern, Feldern und Weiden sieht man sie häufig bei der Nahrungssuche.
Lachmöwen sind bei der Wahl ihrer Nahrung sehr flexibel. Auf dem Speiseplan steht sowohl pflanzliche als auch tierische Kost, zum Beispiel Früchte, Samen, Würmer, Fische, Krebse, Insekten und auch Abfälle.
Lebensweise und Fortpflanzung
Wie die Silbermöwe brütet die Lachmöwe in großen und lauten Kolonien. Die Paarbildung erfolgt in monogamer Saisonehe; die Brut findet zwischen April und Juli in der Nähe von Gewässern am Boden statt. Meist legt das Weibchen drei Eier, die beide Elternteile 21 bis 27 Tage im Nest ausbrüten. Nach vier bis sechs Wochen sind die Jungvögel flügge. Lachmöwen werden bis zu 32 Jahre alt.
Gefährdungsgrad
In Deutschland leben Schätzungen zufolge bis zu 150.000 Brutpaare, damit ist die Lachmöwe die am meisten verbreitete Möwenart. Sie gilt aktuell als nicht gefährdet.
Sturmmöwe (Larus canus)
Laut „Schutzstation Wattenmeer“ verdankt die Sturmmöwe ihren Namen dem Drang, bei Sturm ins Binnenland zu flüchten. Sie ähnelt der Silbermöwe, auch ihr Gefieder ist weiß mit grauem Rücken und grauen Flügeln. Sie ist jedoch mit 40 bis 46 Zentimetern Größe und 290 bis 550 Gramm Gewicht deutlich kleiner und zierlicher. Schnabel und Beine sind auch gelb, sie hat aber keinen roten Schnabelfleck. Ihre Augen sind nicht gelb sondern dunkel – und erinnern damit weniger an einen Raubvogel.
Lebensraum und Nahrung
Die Sturmmöwe gilt bei der Wahl ihres Lebensraums als anpassungsfähig. Sie ist im gesamten nordeurasischen Raum verbreitet und hier an Küsten, auf Inseln sowie an Seen, Flüssen, Mooren und Häfen zuhause. Im Winter, wenn die Nahrung knapper wird, ziehen viele Sturmmöwen ins Binnenland oder sogar bis zur mitteleuropäischen Atlantikküste und in die Mittelmeerregion. Die größte Brutkolonie im deutschen Wattenmeer liegt mit etwa 1.200 Paaren auf Amrum.
Die Nahrung ist wie bei anderen Möwenarten flexibel und umfasst Fische, Würmer, Aas, Krebse, Insekten, Pflanzen und Abfall.
Lebensweise und Fortpflanzung
Auch Sturmmöwen sind sehr gesellig und brüten in großen Kolonien. Das Nest bauen sie im Frühjahr dabei bevorzugt am Boden, häufig leicht erhöht. Die Partner schließen sich in monogamer Saisonehe zusammen; typisch ist eine hohe Nistplatz- und Partnertreue. Das Weibchen legt meistens drei Eier, die beide Partner 23 bis 28 Tage ausbrüten. Die Jungvögel werden von beiden Eltern fünf Wochen lang mit Nahrung – zum Beispiel Strandkrabben, Seeringelwürmer oder Insekten – versorgt, bis sie mit 28 bis 33 Tagen flügge werden. Sturmmöwen werden bis zu 31 Jahre alt.
Gefährdungsstatus
Sturmmöwen gelten aktuell als nicht gefährdet.
Mantelmöwe (Larus marinus)
Die größte Möwenart Europas wird 61 bis 74 Zentimeter groß und etwa ein bis zwei Kilogramm schwer, wobei die Männchen schwerer sind als die Weibchen. Ihre Flügelspannweite kann 144 bis 170 Zentimeter erreichen. An ihrem auffälligen schwarzen Rückengefieder – dem schwarzen Mantel – kann man sie schon aus der Entfernung gut erkennen. Sie hat wie die Silbermöwe einen kräftigen gelben Schnabel mit einem roten Punkt. Ihre Beine sind rosa. Sie kommuniziert mit tiefer, rauer Stimme.
Lebensraum und Nahrung
Die Mantelmöwe ist an den Küsten des Nordatlantiks sowie der Nord- und Ostsee zu Hause. In Deutschland brütet sie erst seit Mitte der 1980er Jahre; der Bestand nimmt seitdem zu. Ihre Hauptverbreitungsgebiete liegen hier in der südwestlichen Ostsee, den Belten und an der Nordseeküste, auch an Häfen hält sie sich auf. Ihre Brutgebiete wählt sie jedoch häufig an Steilküsten oder auf Felseninseln. Laut Schutzstation Wattenmeer nehmen die Zahlen ab Juli zu, wenn sich mehrere tausend skandinavische Mantelmöwen am Wattenmeer niederlassen. Ab Februar ziehen sie wieder in Richtung Norden.
Wie ihre Verwandten ernährt sich die Mantelmöwe vielfältig, u.a. von Fisch, Krebsen, Würmern, Muscheln, Aas und Abfällen. Fische erbeutet sie stoßtauchend. Allerdings stehen bei ihr auch Vögel und Gelege auf dem Speiseplan: Sie frisst nicht nur Eier und Jungvögel, sondern auch Singvögel, Enten, Lummen – und Silbermöwen. Im Gegensatz zu anderen Möwen hält sie sich von Menschen eher fern, sie jagt aber laut NABU anderen Tieren - zum Beispiel Seeadlern und Heringshaien - die Beute ab.
Lebensweise und Fortpflanzung
Mantelmöwen brüten wie die meisten Möwenarten gerne in Kolonien. Ansonsten sind sie häufig alleine anzutreffen. Mit vier bis fünf Jahren sind sie geschlechtsreif und bauen sich im April ein – häufig erhöhtes – Nest aus Zweigen, Tang und Gras. Wenige Wochen später legt das Weibchen meist drei Eier, die gemeinsam ausgebrütet werden. Nach 45 bis 50 Tagen sind die Jungvögel flügge. Mantelmöwen werden etwa 25 Jahre alt.
Gefährdungsstatus
Mantelmöwen haben keine natürlichen Feinde und stehen in Deutschland auch nicht auf der Liste gefährdeter Arten. In Amerika waren die Bestände Anfang des 20. Jahrhunderts fast vom Aussterben bedroht, haben sich aber ab Mitte des Jahrhunderts sehr gut erholt. Aktuell gehen sie dort allerdings wieder zurück.
Heringsmöwe (Larus fuscus)
Auf den ersten Blick ähnelt die Heringsmöwe der Silber- und der Mantelmöwe. Wie die Mantelmöwe hat sie einen dunklen Rücken (und dunkle Flügel), allerdings ist das Gefieder eher grau als schwarz. Mit 51 bis 64 Zentimetern und 600 bis 1.000 Gramm ist sie außerdem kleiner und schlanker als die Mantelmöwe – aber größer als die Silbermöwe. Ihre Beine sind - im Gegensatz zu den Beinen der Silber- und Mantelmöwe - grundsätzlich gelb statt rosa. Ihr Schnabel ist jedoch ebenfalls gelb mit einem roten Punkt.
Lebensraum und Nahrung
Die Heringsmöwe kommt laut NABU von Westeuropa bis Sibirien vor und gehört zu den Teilziehern: Im Winter ziehen viele Tiere, vor allem aus Nordeuropa, in den Mittelmeerraum oder Westafrika. Sie bevorzugt Brutplätze in den Dünen, Moor- und Heidelandschaften der Nord- und Ostsee, vor allem auf den Friesischen Inseln leben Kolonien mit mehreren Tausend Exemplaren. Sie geht bevorzugt auf dem Meer auf Nahrungssuche. Früher ist sie den Fischkuttern gefolgt, um Fischabfälle zu erbeuten und hat dafür lange Wege in Kauf genommen. Da diese selten geworden sind, begibt sie sich auch weit ins Binnenland hinein, um auf Wiesen und Feldern Regenwürmer und Insekten zu finden. Bis heute ist Fisch ihr Hauptnahrungsmittel, sie frisst aber auch Krabben, Würmer, Aas, Eier und Abfall.
In den letzten Jahren ist die Heringsmöwe laut Avi-Fauna entlang von Elbe, Weser und Rhein immer weiter ins Binnenland vorgedrungen und auch zunehmend in Städten anzutreffen. In Köln und Frankfurt brüten zum Beispiel größere Kolonien auf Dächern.
Lebensweise und Fortpflanzung
Heringsmöwen sind wie ihre Verwandten sehr emanzipierte Vögel: Beide Partner bauen das Nest, brüten die zwei bis drei Eier pro Brut 24 bis 28 Tage gemeinsam aus und ziehen den Nachwuchs auch gemeinsam auf. In der Brutzeit fliegen sie bis zu 80 Kilometer weit, um Nahrung zu beschaffen. Nach vier bis fünf Wochen sind die Jungvögel flügge.
Gefährdungsstatus
Heringsmöwen gelten aktuell als nicht gefährdet. Im Gegenteil: Seit Mitte des 20. Jahrhunderts hat ihre Anzahl im Wattenmeer stark zugenommen. Schätzungen zufolge leben alleine in Schleswig-Holstein über 10.000 Brutpaare. Seit einigen Jahren stagnieren die Zahlen jedoch bzw. sind wieder etwas rückläufig. Da Heringsmöwen über 30 Jahre alt werden können, gilt es für den Artenerhalt als ausreichend, wenn pro Brutpaar alle ein bis zwei Jahre ein Jungvögel flügge wird. Zuletzt waren es vielerorts jedoch weniger.